20. September 2020 | Julia Lorber
Pop-Up-Podcast-Studio auf Wiener Einkaufsmeile
Im ‚Pods and Bowls’ geht Journalismus eine Liaison mit Trend-Food ein

Anlässlich der bevorstehenden Wien-Wahl, eröffnete die Tageszeitung Kurier Anfang Juni eine Pop-Up-Redaktion mit Gastro-Konzept auf der Wiener Mariahilfer Straße. Bis Jahresende können Passant*innen dort Live-Interviews mitverfolgen, während hinter den Kulissen eifrig an Artikeln, Podcasts und frischen Bowls gearbeitet wird.
In nur drei Wochen Umbau-Zeit wurde aus einer ehemaligen Filiale der Bäckerei Felber eine stylische Oase journalistischer Arbeit geschaffen. Das Pop-Up-Studio, dessen Interieur mit Samtstoffen, dunklem Holz und Goldakzenten stark an das ein oder andere Wohnzimmer deutscher Influencer*innen erinnert, wird kulinarisch von Gastronom Dieter Elsler (‚Das Kolin’) bespielt. Mit gesunden Bowls – zu deutsch ‚Schüsseln’ – werden vitaminreiche Sommergerichte zum Mitnehmen oder vor Ort Genießen angeboten.
Crossmediales Angebot
Bei einem Lokalaugenschein vor Ort, wurde ich von einer Kurier-Mitarbeiterin durch die verschiedenen Stationen der Räumlichkeit(en) geführt. Die ausgelagerte City-Redaktion umfasst den Hauptraum mit Interviewplatz (Pop-Up-Studio), von dem aus auf Sesseln, Barhocker oder Sofa gearbeitet und genetworkt wird, einen Schnittplatz mit sämtlichen technischen Notwendigkeiten, eine Rückzugsnische für konzentriertes Schreiben des Wien-Ressorts sowie einen kleinen Podcast-Aufnahmeraum.
Im Gespräch mit Karin Höllwerth wurde das Konzept näher erläutert, welches Kurier-intern bereits seit einigen Jahren angedacht war. Mittels optischer Präsenz und crossmedialer Vernetzung von ‚klassischem’ Journalismus und sämtlichen Multimedia-Kanälen, solle die Zielgruppe erweitert und sozusagen verjüngt werden. Die innerstädtische Lage soll einerseits hierzu beitragen, zusätzlich aber vor allem den zahlreichen Studio-Gästen* einen langen Anfahrtsweg ersparen. Denn – so erklärt sich auch das gewählte Zeitfenster des Pop-Ups – der Fokus des Medienprojekts liegt ganz klar auf der kommenden Wien-Wahl, die am 11. Oktober stattfindet. Im Zuge dessen geben sich seit der Eröffnung im Juni sämtliche Regionalpolitiker*innen und zum Teil auch Regierungsmitglieder* die (desinfizierte) Klinke in die Hand. Man wolle die Bevölkerung umfassend informieren und einen persönlichen Austausch vor Ort ermöglichen, auch abseits der Kameras.
Die Übertragung der Live-Talks kann im kleinen Schanigarten vor Ort mitverfolgt werden oder online über die Kurier-Homepage. Es gibt sowohl einen Livestream unter kurier.at/podsandbowls als auch auf schautv.at. Der eigene Podcast Channel des Kurier beheimatet mittlerweile fünf Podcasts, die neben ‚Kurier daily’ (täglich aus dem Pods and Bowls gesendet) thematisch von Verschwörungstheorien (‚Fake Busters’) über True Crime (‚Dunkle Spuren’), Fußball (‚Nachspielzeit’) bis hin zu einem politischen Wien-Schwerpunkt (‚Nur in Wien’) reichen.
Zukünftige Happenings im Pop-Up-Studio
War der Anspruch der City-Redaktion zu Beginn, zweimal täglich Live-Übertragungen zu senden, so tut sich mittlerweile weitaus mehr im selbstdeklarierten „gemütlichsten Newsroom Wiens“. Neben Polit-Talks und Interviews bekannter Persönlichkeiten*, fanden schon mehrere ‚Wohnzimmer-Konzerte’ (z.B. Julian LePlay) im Studio auf der Mariahilfer Straße 10 statt. Bereits vorab kann man sich online oder auf Instagram informieren, wer in den nächsten Tagen und Wochen vorbeischauen wird. Unter zahlreichen prominenten Gästen befinden sich etwa Kult-Autor Thomas Brezina, Innenminister Karl Nehammer, Köchin und NENI-Gründerin Haya Molcho und Schauspieler Heinz Marecek. Ein Entertainment- Highlight dürfte der Live-Auftritt von Kabarettist Viktor Gernot am 6. November werden.
Genaue Termin- und Zeitangaben sind der Homepage zu entnehmen. Die Öffnungszeiten vor Ort belaufen sich von Montag bis Samstag von 11:00 bis 20:00 Uhr.
Schlussanmerkung
Wenngleich das Konzept, eine Redaktion näher an die Menschen und mitten ins Geschehen zu bringen, durchaus Potenzial hat, ist es fraglich, ob man tatsächlich Journalist*innen bei der Arbeit ansprechen würde und somit fruchtbare Gespräche oder gar spontane Diskurse stattfinden können. Unterm Strich wirkt das „Pods and Bowls“ trotz aller Bemühungen wie eine großteils in sich geschlossene Bubble. Dafür allerdings mit frei zugänglichen Auftritten interessanter Gäste* und dem unglaublich freundlichen Servicepersonal* von Dieter Elsler, das keinesfalls unerwähnt bleiben darf.
Auf die Frage nach dem Stellenwert von Podcasts im Journalismus, besonders im eigenen Haus – zumal das Pop-Up-Studio gezielt danach benannt ist – wurde seitens der Kurier- Redaktion im Interview und auf Anfrage leider nicht eingegangen.
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